Patentklassifikationen und Patent-Heatmaps
Auf dieser Seite werden die Begriffe »Patentklassifikation« und »Patent-Heatmap« erklärt. Außerdem werden Sachverhalte erläutert, die zur Ausgestaltung von Patentstatistiken genutzt werden können.
Was sind Patentklassifikationen?
Ohne Verständnis der Patentklassifikationen ist es schwer, Patent-Heatmaps zu »lesen«, denn die hier vorgestellten Heatmaps werden aus den innerhalb einer Menge von Patentdokumenten gefundenen Klassifikationen gebildet.
Patentklassifikationen teilen die in Patentdokumenten beschriebenen technischen Sachverhalte in ein hierarchisches System aus vielen Gruppen ein und helfen, bei Patentrecherchen relevante Schriften zu finden. Von den verschiedenen Patentklassifikationen sollen hier die IPC (International Patent Classification) und die CPC (Cooperative Patent Classification) kurz vorgestellt werden.
Die IPC wird von der WIPO (Weltorganisation für geistiges Eigentum) gepflegt, die CPC vom EPA (Europäisches Patentamt) und dem USPTO (US-Patent- und Markenamt), von denen die CPC auch entworfen wurde. Dabei ist die CPC eine auf der IPC aufbauende Klassifikation mit deutlich erhöhter Anzahl an Gruppen, in die verschiedene technische Sachverhalte eingeordnet werden können.
Nach Einreichung einer Patentanmeldung bei einer Patentbehörde und häufig auch in weiteren Verfahrensschritten werden den Patentanmeldungen eine oder mehrere Klassifikationen zugewiesen.
Die Klassifikationen sind hierarchisch aufgebaut. In der Hierarchie ganz oben stehen die Sektionen. Jede Sektion ist in Klassen eingeteilt, und die Klassen wiederum in Unterklassen. Die Unterklassen sind in Haupt- und Untergruppen unterteilt, wobei es auf Untergruppen-Niveau wiederum zu hierarchisch aufgebauten Unterteilungen kommen kann.
Das hört sich ziemlich kompliziert an und soll deshalb beispielhaft erklärt werden. Auf hierarchisch oberster Ebene stehen die Sektionen, die durch Buchstaben bezeichnet werden. IPC und CPC kennen folgende Sektionen:
Sektion | Titel |
---|---|
A | täglicher Lebensbedarf |
B | Arbeitsverfahren; Transportieren |
C | Chemie; Hüttenwesen |
D | Textilien; Papier |
E | Bauwesen; Erdbohren; Bergbau |
F | Maschinenbau; Beleuchtung; Heizung; Waffen; Sprengen |
G | Physik |
H | Elektrotechnik |
Die CPC umfasst weiterhin die Sektion Y, in die mehrere eigenständige Sachverhalte eingeordnet werden. Diese sind:
- Allgemeine Kennzeichnung neuer technologischer Entwicklungen
- Allgemeine Kennzeichnung bereichsübergreifender Technologien, die sich über mehrere Sektionen der IPC erstrecken
- Technische Sachverhalte, die von früheren USPC Cross-Reference Art Collections [XRACs] und Digests umfasst werden (spezielle Klassifikationen der früheren US-Patentklassifikation)
Die Klassifikationstitel können auf verschiedenen hierarchischen Ebenen von durch Strichpunkte »;« getrennte Sachverhalte aufweisen. Dann handelt es sich bei diesen Sachverhalten um eigenständige, wenn auch inhaltlich zusammengehörende Sachverhalte.
Obwohl die CPC nur in englischer Sprache vorliegt, soll die Erläuterung von (Unter)klassen und (Unter)gruppen anhand eines CPC-Untergruppen-Titels - in deutscher Übersetzung - erfolgen. (Das Original des Titels kann in einer interaktiven Heatmap auf dieser Website angezeigt werden.) Als Beispiel dient die CPC-Untergruppe B64C 2201/143. Der Titel dieser Untergruppe lautet: »angepasst für das Fliegen in Formationen«, (adapted for flying in formations), und offenbart so gelesen nicht seine ganze Bedeutung.
Die Unterklasse B64C betrifft:
- B: Arbeitsverfahren; Transportieren (Sektion)
- B64: Luftfahrzeuge; Flugwesen; Raumfahrt (Klasse)
- B64C: Flugzeuge; Hubschrauber (Unterklasse)
Die CPC-Untergruppe B64C 2201/143 ist hierarchisch von der Hauptgruppe - mit der Endung »/00« - und den übergeordneten Untergruppen abhängig:
CPC-Symbol | CPC-Titel |
---|---|
B64C 2201/00 |
|
B64C 2201/14 |
|
B64C 2201/141 |
|
B64C 2201/143 |
|
Unter Berücksichtigung der gesamten Hierarchie liest sich der CPC-Titel in etwa wie folgt:
Unbemannte Luftfahrzeuge (Drohnen), gekennzeichnet durch autonome Flugsteuerung, d.h. durch Navigation unabhängig von Boden- oder Flugstationen, z. B. durch Verwendung von Trägheitsnavigationssystemen [INS], angepasst für das Fliegen in Formationen.
Wie zu erkennen, ist die Hierarchie innerhalb der Untergruppen durch ein Punktesystem bestimmt. Dabei stehen die Ein-Punkt-Untergruppen an oberster Stelle. Übergeordnete Untergruppen sind Bestandteil der untergeordneten Gruppen.
Auf dieser Website werden Patent-Heatmaps vorgestellt, die auf Unterklassen- beziehungsweise auf Untergruppen-Niveau Patentdaten visualisieren.
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Was sind Patent-Heatmaps?
Patent-Heatmaps im hier vorgestellten Sinne sind Diagramme, die den zeitlichen und den technologischen Verlauf der Häufigkeit von Patentanmeldungen in einer Menge von Patentdokumenten visualisieren, und damit auch Veränderungen der Schwerpunkte, die in den betrachteten technischen Gebieten gesetzt werden, anzeigen. Der zeitliche Verlauf wird dabei auf der y-Achse abgetragen, die Klassifikationen, die einen Indikator für die in den Patentdokumenten beschriebenen Technologien darstellen, auf der x-Achse. Die Menge von Patentdokumenten ist dabei üblicherweise das Ergebnis einer Datenbankabfrage beziehungsweise Patentrecherche.
Wichtig zum Verständnis der Heatmaps ist, dass pro Erfindung jede Klassifikation nur einmal gezählt wird. Eine »Erfindung« bedeutet hier eine »Patentfamilie«. Eine Erfindung kann in einem oder auch in mehreren Ländern angemeldet werden. Sie kann also als Anmeldung, als erteilte Schrift - oder in anderen Verfahrensschritten - weltweit häufig veröffentlicht sein, sie kann aber auch aus einer einzigen Publikation bestehen. Im Patentwesen sind mehrere Definitionen des Begriffs Patentfamilie bekannt. Die Statistiken dieser Website arbeiten mit der »DOCDB-Familie«, die auch als einfache Familie (simple family) bekannt ist. Diese Form der Patentfamilie ist vom EPA eingeführt worden und das EPA ordnet Patentdokumente auch in die entsprechenden Familien ein. Die einfache Patentfamilie gilt als die Familie, die am besten die Veröffentlichungen einer Erfindung zusammenfasst und beispielsweise einer statistischen Verarbeitung zugänglich macht.
Wie oben beschrieben werden Patentdokumenten häufig mehrere Patentklassifikationen zugewiesen. So kann eine Patentanmeldung auf dem Gebiet des 3D-Drucks, die ein Verfahren oder eine Vorrichtung für den 3D-Druck beschreibt, oder ein durch 3D-Druck hergestelltes Produkt, nicht nur mit einer Klassifikation für den 3D-Druck, sondern auch mit weiteren Klassifikationen versehen sein, die beispielsweise auf das dabei verwendete Material und auf das technische Gebiet hinweisen, das die entsprechende Erfindung verwendet, beziehungsweise auf das die Erfindung abzielt.
Deshalb kann eine Erfindung auch die angezeigte Intensität innerhalb einer Heatmap für mehrere Technologiebereiche beeinflussen, obwohl pro Erfindung jede Klassifikation nur einmal gezählt wird.
Die Heatmap B33Y 80/00 zeigt die zeitliche und technologische Verbindung der IPC/CPC-Hauptgruppe B33Y 80/00 zu vielen anderen durch IPC/CPC-Unterklassen definierten Technologien, die dort auf der x-Achse abgetragen sind. In die Hauptgruppe B33Y 80/00 werden 3D-Druck-Patente klassifiziert, die Produkte beschreiben, die durch ein additives Fertigungsverfahren hergestellt werden.
Deshalb kann beim »Surfen« in den Daten festgestellt werden, wann wieviele Patente angemeldet wurden, die die Herstellung von Schuhen, Strömungsmaschinen, Getrieben, Gasturbinenanlagen beziehungsweise Strahltriebwerken, Messgeräten wie Uhren, Wärmeaustauschern oder Wärmeübertragungsvorrichtungen, Gebäude(teile)n, Lebensmitteln oder Bekleidung - um nur einige zu nennen - betreffen.
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Wie kann die Farbgebung gestaltet werden?
In den Abbildungen 1a und 1b unten ist jeweils ein Ausschnitt der Heatmap B33Y 80/00 mit den gleichen zugrunde liegenden Daten abgebildet. Nur ist die Farbgebung in Abb. 1a linear und in Abb. 1b logarithmisch. Für die Heatmap B33Y 80/00 ist die logarithmische Darstellung gewählt worden. Warum?
Gerade bei neuen technologischen Entwicklungen kann es zu stark ansteigenden Anmeldezahlen kommen. Die additive Fertigung ist so eine Technologie. Mit Blick auf die Abb. 1a und die auf der x-Achse mit B33Y (additive Fertigung) gekennzeichnete Spalte kann festgestellt werden, dass das Maximum der Anmeldezahlen - zum Zeitpunkt der Datenerhebung - in 2018 erreicht ist. Gemäß Abbildung scheint es 2011 kaum Anmeldungen im Bereich additive Fertigung (B33Y 80/00) gegeben zu haben - die Spalte B33Y geht vom dunkelgrünen fast in den blauen Bereich - und tatsächlich: es sind nur knapp 10 % des Maximums von 2018.
Das ist natürlich in Ordnung, die Farbgebung spiegelt die Häufigkeitsverteilung wider. Wenn versucht wird, die Zusammenhänge mit anderen Technologien in solchen Jahren zu erkennen, in denen deutlich weniger Erfindungen angemeldet worden sind als im Jahr mit den meisten Anmeldungen, kann die lineare Darstellung leicht an ihre Grenzen stoßen.
In Abb. 1a sind deutlich die Intensitäten für die Unterklassen B29C (Formen von Kunststoffen usw.) und B22F (Verarbeitung von Metallpulvern) zu erkennen. Dass es in den markierten Bereichen A61B-L (medizinischer Bereich: zahnmedizinische Produkte, Implantate usw.) oder A43B-D (Schuhe, Verfahren, Maschinen usw. zur Herstellung oder Reparatur von Schuhen) überhaupt zu Patentanmeldungen gekommen ist, ist der Abb. 1a kaum zu entnehmen.
Dabei gibt es im Bereich A61B-L zwei medizinische Unterklassen, in die in 2018 knapp 9 % aller Anmeldungen klassifiziert wurden, die als »produktbezogene 3D-Druck-Erfindungen« bezeichnet werden können. Zwei weitere medizinische Unterklassen weisen Werte von über 5 % auf. Es kann also der Eindruck entstehen, dass ein erheblicher Anteil der angemeldeten Erfindungen im untersuchten Bereich eine Verbindung zu medizinischen Technologien hatte.
Im Datensatz gibt es deutlich weniger Erfindungen im Bereich Schuhe als im medizinischen Bereich. Aus der Heatmap kann abgelesen werden, dass in 2018 dreiundfünfzig Erfindungen angemeldet wurden, die in A43B, und dreißig Erfindungen angemeldet wurden, die in A43D klassifiziert wurden. Das sind zwar nur etwa 2,2 % beziehungsweise 1,3 % aller in 2018 angemeldeten Erfindungen im untersuchten Gebiet. Die Intensität - ein intensives Blau - unterscheidet sich nicht von dem Blau, das in 2018 der Unterklasse A42C (Herstellung von Hüten usw.) zugewiesen wurde. Für A42C wurde genau eine in 2018 angemeldete Erfindung gezählt. Da es als durchaus angemessen erachtet werden kann, dass sich um Größenordnungen unterscheidende Häufigkeiten zu erkennen sind, wurde die logarithmische Darstellung gewählt.